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(Foto: Henner Gonnermann)

Grundwasserabsenkung im Hessischen Ried

Den Wald im Hessischen Ried gibt es bereits seit über 1.200 Jahren. Im Spektrum unserer Riedwälder entfaltet sich der höchste Artenreichtum von Tieren und Pflanzen in alten Laubmischwäldern. Vorzugsweise Eichen und Buchen bieten mit ihren Kronen, Stämmen, Wurzelstöcken und nicht zuletzt mit ihrem Totholz zahlreichen Tier- und Pflanzenarten eine Lebensgrundlage. Diese reichhaltige Naturlandschaft ist seit Jahrzehnten immer stärker vom Absterben bedroht.

Artenreicher Wald im Hessischen Ried um 1960 (Grafik: Julia Beltz) Ausgangslage: Artenreicher Wald im Hessischen Ried um 1960 (Illustration: Julia Beltz)

In den 1960er Jahren begann man, riesige Mengen Grundwasser für den Großraum Frankfurt zu fördern. Der Grundwasserspiegel sank daraufhin innerhalb weniger Jahre um bis zu sieben Meter ab. Zuerst starben auf großer Fläche die Erlen. Nach und nach kamen aber auch andere Laubbäume wie Eichen und Buchen stark unter Stress. So starben bisher 10.000 Hektar des ursprünglichen Waldgebietes ab. 

Außerdem zeichnen sich in der Rheinebene bereits seit etwa 20 Jahren Folgen des Klimawandels ab: Das durchschnittliche Temperaturniveau steigt an. Die Wälder sind also noch mehr auf die Versorgungsreserve Grundwasser angewiesen, um die Phasen hoher Sommertemperaturen bei gleichzeitig geringen Niederschlägen zu überstehen. 

Tatsächlich ist zwar der Wasserverbrauch im Rhein-Main-Gebiet in den letzten 20 Jahren um ein Fünftel gesunken. Trotzdem soll künftig noch mehr Wasser aus dem Ried gepumpt werden: Das Regierungspräsidium Darmstadt hat den Wasserversorgern erhöhte Förderrechte für 30 Jahre neu bewilligt. Das würde das Schicksal des Laubwaldes besiegeln. Deswegen geht der BUND gegen den Förderbescheid gerichtlich vor. 

Hintergrund der Grundwasserabsenkung im Hessischen Ried

Die Wälder im Hessischen Ried haben für den Naturschutz allerhöchste Bedeutung. Unmittelbar am Rhein liegen in Hessens größtem Naturschutzgebiet „Kühkopf-Knoblochsaue“ europaweit einmalige Feuchtwälder. Die Wälder sind ein unersetzlicher Erholungs- und Lebensraum. Etwa die Hälfte der 30.000 Hektar umfassenden Waldfläche wurde als Naturschutzgebiet, EU-Vogelschutzgebiet oder als Schutzgebiet nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesen. Vor allem in den oft weit über 100 Jahre alten und an hohe Grundwasserstände angepassten Eichen- und Buchenwäldern haben große Bestände seltener Tierarten überlebt.

Wald im Hessischen Ried um 2060 (Grafik: Julia Beltz) Trockene Zukunft? – Wald im Hessischen Ried um 2060 (Illustration: Julia Beltz)

Doch dieser einmaligen Vielfalt droht eine tödliche Gefahr! Die Wälder befinden sich seit rund 50 Jahren in einem Überlebenskampf, weil die Grundwasserentnahme zur Versorgung des Rhein-Main-Gebietes mit Trinkwasser den Wurzelraum der Bäume ausgetrocknet hat. 

Bilder des sich auflösenden Ried-Waldes

Eindrücke aus dem Gernsheimer Wald. Alle Fotos sind von Henner Gonnermann/BUND Hessen.

Grundwasserbewirtschaftung und Waldprobleme

Aus dem einst sumpfigen Hessischen Ried westlich von Darmstadt bis Lampertheim mit ausgedehnten Feuchtwäldern und zur ackerbaulichen Nutzung wenig geeigneten Nasswiesen, entstand durch massive Entwässerungsprojekte die heutige Situation.

Die Entwässerung des Riedes erfolgte in vielen Etappen von der Rheinbegradigung unter Tulla (ab 1817), durch den Bau von Hochwasserdeichen im 19. Jahrhundert und die Entwässerung für den verstärkten Acker- und Feldfruchtanbau und der Siedlungserweiterungen. 

Heute ist das Ried geprägt: 

  • durch unangepasste Bauweisen vieler Siedlungsgebiete

    • in Nassjahren: nasse Keller (wenn „weiße Wannen” zur baulichen Vorkehrung - vor zu hohem Grundwasserstand - fehlen und Keller zu tief gegründet wurden) und

    • in Trockenzeiten: Setzrisse durch den schwankenden Grundwasserstand.

  • durch Grundwasserförderung durch Industrie und Wasserversorgungsunternehmen, insbesondere in Waldgebieten, absterbende, sich auflösende Waldverbände.

Hier sollte der „Grundwasserbewirtschaftungsplan Hessisches Ried” aus den 1990er Jahren helfen. In ihm wurden Mindestgrundwasserflurabstände (zugunsten von Wald und Natur) und Höchststände (für Siedlungsgebiete) festgesetzt. Der BUND und andere Naturschutzverbände wurden bei seiner Aufstellung in einer Arbeitsgruppe des Hessischen Umweltministeriums beteiligt.

Leider entschärfte sich die Problematik nicht, obwohl bei Neugenehmigungen von Wasserrechten die Vorschriften des Planwerkes greifen sollten. Vor allem die Waldauflösung schritt fort.

Hinzu kamen Schadensereignisse für den Wald wie die Luftbelastung und deren Auswirkungen und das verstärkte Auftreten des Waldmaikäfers. Dessen Larven (Engerlinge), die zunächst an Graswurzeln, im zweiten und dritten Jahr aber auch an Baumwurzelwerk fressen, ertranken nicht mehr wie früher, wenn sie im Winter vor dem Frost in tiefere Bodenschichten wanderten.

Daher fordert der BUND: Es muss etwas geschehen, um die Auflösung von 30.000 Hektar Wald zu stoppen und endlich eine Waldsanierung einzuleiten.

Der BUND begrüßt den Schritt der Hessischen Landesregierung zur Einrichtung des Runden Tisches „Verbesserung der Grundwassersituation im Hessischen Ried“. Seine Vorstellungen, Forderungen und Lösungsansätze dokumentiert der BUND in den beiden Broschüren „Wasser für den Wald! – Lösungsvorschläge für die Grundwasserproblematik im Hessischen Ried” und „Chancen und Risiken für die Waldentwicklung im Hessischen Ried”. Zur letzteren Broschüre gibt es auch eine Kurzfassung.

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