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Pressemitteilung

Tag der biologischen Vielfalt: Stirbt der Wald, stirbt auch der Käfer

20. Mai 2021 | Biologische Vielfalt, Wälder

Wie steht es um den Hirschkäfer in Hessen? Diese Frage beschäftigt den BUND Hessen zum „Tag der Biologischen Vielfalt“ am 22. Mai 2021. Die Überlebenschancen für den Hirschkäfer werden in Hessen immer schlechter: Das Waldsterben 2.0, die Grundwasserabsenkungen im Hessischen Ried und Waldrodungen gefährden seinen Lebensraum.

Hirschkäfer-Männchen auf einem Eichenstamm Hirschkäfer-Männchen auf einem Eichenstamm.  (Foto: Herwig Winter)

Frankfurt am Main, Pressemitteilung zum Internationalen Tag der biologischen Vielfalt am 22.05.2021
 

Stirbt der beliebte Hirschkäfer in Hessen aus? Diese Sorge beschäftigt den hessischen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen) zum diesjährigen „Tag der Biologischen Vielfalt“ am 22. Mai 2021. Gabriela Terhorst, stellvertretende Vorsitzende des BUND Hessen: „Die Überlebenschancen für den Hirschkäfer werden in Hessen immer schlechter, denn sein Lebensraum gerät durch das klimabedingte Waldsterben 2.0, die Folgen der Grundwasserabsenkungen im Hessischen Ried und Waldrodungen immer mehr in Bedrängnis.“ Das stille, aber stete Verschwinden des Hirschkäfers in Hessen wird so zum Beispiel für das große weltweite Artensterben, von dem Hessen nicht verschont bleibt und auf das die UNESCO mit dem „Internationalen Tag der biologischen Vielfalt“ aufmerksam machen will. 

Die wichtigsten Lebensräume der Hirschkäfer sind alte Eichen- und alte Laubmischwälder. Wenn dort Sonnenstrahlen die mehr als 100 oder sogar 150 Jahre alte Eichen und ihre Wurzelstöcke erreichen, dann fühlt sich der Käfer wohl und kann sogar große Populationen aufbauen. Diese Voraussetzungen sind bei dem hessenweit vorkommenden Tier vor allem im Rhein-Main-Gebiet erfüllt. Doch diese Wälder befinden sich seit Jahren auf tausenden von Hektar in einem Überlebenskampf – den sie verlieren werden, wenn nicht schnell gegengesteuert wird. Gabriela Terhorst: „Die Ursachen für das Verschwinden des Hirschkäfers sind menschengemacht und es liegt an uns, den Hirschkäfer vor dem Aussterben zu retten.“

Die größte jemals bekanntgewordene Population mit wohl mehr als 10.000 jährlich ausfliegenden Hirschkäfern befand sich im Kelsterbacher Wald – dort, wo heute eine Landebahn ist. Selbst die Ausweisung zum EU-Naturschutzgebiet Kelsterbacher Wald konnte ihren Bau nicht verhindern, der zur Rodung großer Bereiche führte und die Auflösung der verbleibenden Waldinseln einleitete. 

Noch gravierender wirkt sich im südlich des Flughafens gelegenen Hessischen Ried die fast flächendeckende Absenkung der Grundwasserstände zur Wasserversorgung des Rhein-Main-Gebietes aus. Sie führt dazu, dass die z. T. viele hundert Jahre alten Wälder keinen Grundwasseranschluss haben und in trockenen Sommern verdursten. 

Etliche Jahre profitierte der Käfer vom Siechtum der Bäume, denn seine Larven leben fünf bis sieben Jahre im Wurzelbereich alter und vor allem abgestorbener Eichen und ernähren sich dort von den toten Wurzeln und dem toten Holz. Nun wendet sich das Blatt: Denn die Masse der Alteichen ist bereits verschwunden, sodass der Nachschub an Brutbäumen abnimmt. Zusätzlich fehlt es an jüngeren Bäumen, die nachwachsen. 

Jetzt wirkt sich nämlich zusätzlich der Klimawandel aus. Nach den trockenen Sommern der letzten Jahre sterben vermehrt auch jüngere Eichen ab. Besonders problematisch ist die Situation z. B. im Jägersburger-Gernsheimer Wald, der auch wegen seiner vielen Hirschkäfer als EU-Naturschutzgebiet und wegen seiner hohen Spechtzahlen zusätzlich als EU-Vogelschutzgebiet ausgewiesen wurde. Für den über 5.000 Hektar großen Wald hatte ein „Runder Tisch“ schon vor Jahren die Anhebung der Grundwasserstände empfohlen, doch die Umweltministerin verschleppt den Umsetzungsprozess. Und der Wald stirbt still und leise weiter.

Neben dem Klimawandel und der von ihm ausgelösten extremen Sommertrockenheit drohen den großen Riedwäldern zwischen Groß-Gerau im Norden und Viernheim im Süden darüber hinaus neue Gefahren durch die Erweiterung der Autobahnen 5 und 67 und den Neubau der ICE-Strecke Frankfurt-Mannheim. Sie werden zu Waldrodungen und – in Zeiten des Klimawandels mindestens ebenso problematisch – zur Zerstörung des heutigen Waldgefüges führen. Die Folge sind so genannte „Randschäden“. Rechts und links der neuen Trassen sind die Baumbestände der neuen Waldränder auf hundert und mehr Metern durch die nun komplett anderen Standortbedingungen gefährdet. Die Folgen der Rodungen sind hier Windwurf, Ablösung der Baumrinde duch Sonnenbrand und eine Austrocknung des Bodens durch einströmende warme Luft. 

 

Hintergrund

Mit dem „Internationalen Tag der biologischen Vielfalt“ erinnert die UNESCO daran, dass der Schutz von Arten, Lebensräumen und genetischer Vielfalt weltweit viel stärkere Anstrengungen braucht. 

Der Hirschkäfer ist in Hessen „gefährdet“ (Rote Liste Hessens Stufe 3) und in Deutschland sogar eine „stark gefährdete Art“ (Rote Liste Deutschland Stufe 2). Wegen seiner Seltenheit und seiner Indikatorfunktion für alte Wälder, gehört er zu den Insekten, für die in ganz Europa Schutzgebiete ausgewiesen werden müssen. Rechtsgrundlage hierfür ist die „FFH-Richtlinie“ (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie). Zur Verbreitung des Hirschkäfers in Hessen schreibt das HLNUG 2017: „Eine wirkliche Gefährdung der Art geht aber vor allem vom flächigen Verlust geeigneter Lebensräume aus. Denn die klimatisch begünstigten Tal- und Beckenlagen sind seit Jahrhunderten auch die bevorzugten Siedlungsgebiete des Menschen. Im Rhein-Main-Gebiet, an den Südhängen der Flusstäler und in den hessischen Beckenlandschaften sind daher nur noch Restbestände geeigneter Hirschkäferlebensräume vorhanden.“

Die „FFH-Richtlinie“ bildet mit der „Vogelschutz-Richtlinie“ den Rechtsrahmen des europäischen Naturschutzrechts. Auf der Basis der Richtlinien werden spezielle EU-Naturschutzgebiete ausgewiesen. Fachleute sprechen von FFH- und Vogelschutzgebieten. 

Die dramatische Gefährdung der Wälder im Hessischen Ried wurde im Auftrag des Regierungspräsidiums Darmstadt in der Publikation „Gefährdung der Wälder im Rhein-Main-Gebiet“ bereits 1999 dargestellt und wird alljährlich in den Waldzustandsberichten für Hessen deutlich. 

Die Lösung des Konflikts zwischen Wassergewinnung und Waldvernichtung beschäftigt den BUND Hessen seit seiner Gründung. Vertiefende Informationen:

 

Weitere Informationen

 

Pressestelle BUND Hessen

Lynn Sophie Anders
069 677376 43
presse(at)bund-hessen.de
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60599 Frankfurt am Main

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