Auf großes Unverständnis stieß die Verabschiedung des Mittelstands- und Vergabegesetzes durch die Stimmen von CDU und FDP heute beim Bündnis für eine faire Vergabe in Hessen. Nach den zahlreichen Einwänden gegen den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen bei der Anhörung zum Thema im Landtag am 7. Februar 2013 hatte das Bündnis weitreichende Überarbeitungen erwartet. Nun wurde der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen ohne Änderungen verabschiedet.
Die Mängel des neuen Gesetzes werden vom Bündnis, dem der DGB Hessen-Thüringen, das Entwicklungspolitische Netzwerk Hessen (EPN Hessen), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die NaturFreunde Hessen und das Zentrum Ökumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau angehören, als erheblich eingeschätzt. Absolut nicht nachvollziehbar sei unter anderem, dass Erkenntnisse und Ergebnisse, die über 2 Jahre hinweg im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes erarbeitet wurden und sich in konkreten Beschaffungsleitfäden niedergeschlagen hatten, im Gesetz der Landesregierung völlig unberücksichtigt bleiben. Die Kritik des Bündnisses zielt insbesondere auf die folgenden Punkte:
- Im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs reichen die Löhne trotz einer Vollzeitbeschäftigung häufig nicht, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Noch schlimmer ist die Lage auf öffentlichen Baustellen: Hier werden die Beschäftigten regelmäßig um den ihnen zustehenden Mindestlohn betrogen. Bezahlung und Unterkunft für die Beschäftigten sind hier – das haben zahlreiche Beispiele gezeigt, die in der Anhörung durch die Gewerkschaften präsentiert wurden – häufig wesentlich schlechter als beim Versandhändler Amazon. Abhilfe könnten hier umfassende Tariftreueregelungen schaffen, denen sich die Landesregierung jedoch konsequent verweigert.
- Auch weiterreichende soziale Kriterien für Produkte und Dienstleistungen entlang der Herstellungs- und Lieferketten finden sich im Mittelstands- und Vergabegesetz kaum wieder. Selbst die „ILO-Kernarbeitsnormen“ der Vereinten Nationen, welche grundlegende Gewerkschaftsrechte garantieren und Kinderarbeit verbieten, fehlen im hessischen Gesetz.
- Extrem beschränkt sind auch die Vorgaben von umweltbezogenen und ökologischen Standards bei der öffentlichen Beschaffung und Auftragsvergabe. Die Notwendigkeit, dem Klimawandel zu begegnen und einen angemessenen Naturschutz zu praktizieren, scheint für die Landesregierung keine Rolle zu spielen.
Hessen grenzt sich mit seinem neuen Vergabegesetz deutlich von jenen 13 Bundesländern ab, die in den letzten Jahren und Monaten die öffentliche Beschaffung als Motor zur sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung ihrer Länder entdeckt und über entsprechende Gesetze Anreize dafür geschaffen haben. Damit Hessen durch das jetzt auf den Weg gebrachte Gesetz nicht auf Dauer zum „sozialen Eisschrank” und zum umweltpolitischen Schlusslicht unter den Bundesländern im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe wird, scheint anhaltender Druck aus der Gesellschaft nötig.
Das Bündnis für eine faire Vergabe in Hessen kündigte an, im Rahmen des kommenden Wahlkampfes aktiv für ein Vergabegesetz zu werben, das soziale und ökologische Vergabekriterien so umfassend wie möglich berücksichtigt.
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