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Pressemitteilung

Tag des sterbenden Waldes | BUND: Umweltministerin Hinz verschleppt Rettung des Jägersburger-Gernsheimer Waldes – Bankrotterklärung hessischer Umweltpolitik

21. März 2021 | Wälder, Hessisches Ried Wälder

Der BUND Hessen schlägt zum Tag des Waldes am 21. März Alarm. Eines der ökologisch bedeutsamsten Waldgebiete in Südhessen, der Jägersburger-Gernsheimer Wald, stirbt!

Geschädigte Bäume im Jägersburger-Gernsheimer Wald Geschädigte Bäume im Hessischen Ried (Foto: Henner Gonnermann)  (Foto: Henner Gonnermann)

Der hessische Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen) schlägt zum Tag des Waldes am 21. März Alarm. Eines der ökologisch bedeutsamsten Waldgebiete in Südhessen, der Jägersburger-Gernsheimer Wald, stirbt! Jörg Nitsch, Vorsitzender des BUND Hessen: „Das Sterben des europäischen Naturschutzgebiets Jägersburger-Gernsheimer Wald ist eine fortwährende Bankrotterklärung hessischer Umweltpolitik und die grüne Umweltministerin verschleppt die machbare Rettung des Waldes! Vor sechs Jahren endete der Runde Tisch Grundwassersanierung Hessisches Ried mit der einstimmigen Empfehlung, den Grundwasserstand unter dem Wald zumindest auf einer Teilfläche soweit anzuheben, dass die Baumwurzeln wieder ins Grundwasser reichen. Doch bis heute hat die praktische Umsetzung dieser Empfehlung nicht begonnen.“ 

Dabei war immer klar, dass nur bei einer schnellen Sanierung noch möglichst große Bereiche des heutigen Waldes gerettet werden können. Langfristig entsteht durch die Sanierung klimastabiler Wald. Denn dort, wo der Grundwasserspiegel so angehoben wird, dass sich die Bäume wie früher während der Sommertrockenheit aus dem Grundwasser versorgen können, gibt es auch nicht das von der Klimaerwärmung ausgelöste Waldsterben 2.0. Damit bleibt die Sanierung als Zukunftsprojekt auch sinnvoll, wenn der heutige Wald nicht mehr gerettet werden kann. 

Weder das einstimmige Votum des Runden Tisches zur Grundwassersanierung im Hessischen Ried, noch die Absicherung der Waldrettung im aktuellen schwarz-grünen Koalitionsvertrag, noch das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 22.08.2019 haben dem Wald bisher geholfen. Schlimmer noch: Nach dem Runden Tisch wurde ein Arbeitskreis zur Umsetzung des Beschlusses gegründet. Doch diesen hat sie seit zwei Jahren nicht mehr einberufen. 

Vor diesem Hintergrund ist es für den BUND ein Skandal, dass die machbare Rettung des Waldes durch die grüne Umweltministerin verschleppt wird. „Die Umweltministerin hat bis heute weder das vom BUND bereits vor Jahren geforderte Rechtsgutachten zur Umlage der Sanierungskosten auf den Wasserpreis, noch die Erweiterung der Rheinwasseraufbereitungsanlage in Biebesheim angeschoben“, ergänzt Nitsch. Längst ist unübersehbar, dass die bisher aus Rheinwasser aufbereiteten Mengen künftig nicht mehr reichen werden, weil der Trinkwasser- und Bewässerungsbedarf in Südhessen steigt. Dennoch fehlt es an der landespolitischen Grundsatzentscheidung zur Erweiterung der Rheinwasseraufbereitung. 

Umgesetzt wurden im Jägersburger-Gernsheimer Wald bisher nur Alibimaßnahmen, wie 

  •  die Pflanzung heimischer Eichen, deren Absterben wegen des Wassermangels absehbar war und durch die letzten sehr trockenen Sommer besonders schnell erfolgte, und
  • ein Pilotversuch „Oberflächenbewässerung“, dessen Erfolg vom BUND immer bezweifelt wurde, und dessen Beitrag zur Waldrettung sogar von den Befürwortern als ungewiss bezeichnet wurde. 

 

Hintergrund

Das Sterben des Waldes wurde vor über 50 Jahren mit der rücksichtslosen Förderung des Grundwassers begonnen. Um die schlimmsten Fehler zu beheben, wurde 1999 der „Grundwasserbewirtschaftungsplan Hessisches Ried“ in Kraft gesetzt, in dem bereits der Sanierungsauftrag für die schwer geschädigten Waldflächen enthalten ist. Es vergingen weitere 13 Jahre bis 2012 der letzte Teil der Machbarkeitsstudie vorgelegt wurde. Sie zeigte auf, wie die Anhebung des Grundwasserstandes zur Rettung des Waldes erfolgen kann ohne Nachteile für andere Belange zu erzeugen. Zur Umsetzung der Machbarkeitsstudie wurde ein Runder Tisch eingerichtet, der am 12.03.2015 endete. Die Umsetzung des Beschlusses wurde trotz der dramatischen Entwicklung im Wald nur schleppend vorangebracht. In einem Gutachten des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) vom 15.05.2020 werden im Baumbestand „massivste Schäden“ festgestellt und wie folgt beschrieben: 

„Sie reichen von einem verringerten Blattvolumen über Teilverluste der Krone bis hin zu einem kompletten Absterben. Besonders betroffen ist die Buche (Fagus sylvatica). Viele Exemplare waren bereits 2018 ganz oder teilweise abgestorben und trugen im Frühsommer 2019 noch das vertrocknete Laub des Vorjahres. Starke Schäden weisen weiterhin Stiel-Eiche (Quercus robur), Hainbuche (Carpinus betulus), Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) und Esche (Fraxinus excelsior) auf. (...) Auffällig ist eine Schädigung aller Altersstadien der genannten Baumarten, wobei insbesondere auch junge Eichenaufforstungen stark betroffen sind.“ 

Besonders pikant: Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat im August 2019 die Rechtsauffassung des BUND bestätigt, dass das Land verpflichtet sei, den Grundwasserstand soweit anzuheben, dass die europarechtlich geschützten Stieleichen-Hainbuchen- und Buchenwaldflächen in einen günstigen Erhaltungszustand zurückkehren können. Doch auch dieser deutliche Rüffel des Gerichts bleibt bis heute ohne Wirkung, und das Land bestreitet weiterhin seine Rechtspflicht zur Rettung der geschützten Waldbestände und Arten. Dabei ist die Rechtslage unstrittig, denn der Jägersburger-Gernsheimer Wald ist nach den beiden europäischen Naturschutzrichtlinien als Vogelschutz- und als sogenanntes FFH-Gebiet ausgewiesen. Für solche Gebiete ist die Verpflichtung der zuständigen Behörden zur Wiederherstellung günstiger Erhaltungszustände für geschädigte Lebensräume ausdrücklich vorgeschrieben (vgl. Artikel 2 der EU-Richtlinie „zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume und Arten“, der sogenannten Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie). Die Haltung von Umweltministerin Hinz in dieser Frage ist für den BUND daher weder nachvollziehbar noch akzeptabel.

 

Weitere Informationen

 

Pressestelle BUND Hessen

Lynn Sophie Anders
069 677376 43
presse(at)bund-hessen.de
www.bund-hessen.de

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Geleitsstraße 14
60599 Frankfurt am Main

 

Eindrücke aus dem Gernsheimer Wald. Alle Fotos sind von Henner Gonnermann/BUND Hessen.

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