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Pressemitteilung

Luchs: Da staunt der Fachmensch und die Laien wundern sich!

09. September 2020 | Biologische Vielfalt, Luchs, Naturschutz, Wälder

Hintergrundinformationen zur Luchs-Begegnung am Ortsrand von Oberursel am 04.09.2020

Luchs M12 auf dem Gelände der FIS. (Bild: Frankfurt International School) Luchs M12 auf dem Gelände der FIS. (Bild: Frankfurt International School)

Was war geschehen?

Am vergangenen Freitag berichteten die Medien von einer ungewöhnlichen Luchs-Begegnung am Ortsrand von Oberursel. Ein erwachsener, wildlebender Luchs hatte sich auf dem Sportplatz der „Frankfurt International School“ niedergelassen. Das Tier lag auch dann noch längere Zeit entspannt in der Sonne als mehr und mehr Menschen den Sportplatz betraten. Erst als sich mehrere Polizisten dem Tier ruhig und mit langsamen Schritten näherten, stand das Tier auf, suchte nach einer Möglichkeit zu entweichen und verschwand dann im benachbarten Wald.

Für die Fachwelt ein alter Bekannter

Da längere Videos und etliche Fotos von dem Luchs gemacht wurden, konnte der Luchs zwischenzeitlich identifiziert werden. Es handelt sich offenbar um ein männliches Tier, das vom Luchsprojekt Harz im April 2018 bei Bad Pyrmont besendert worden war und damals den Namen „M12“ erhielt . Dieser Luchs „wanderte anschließend durch Nordrhein-Westfalen, um dann bei Diemelstadt die hessische Landesgrenze zu überqueren. Der endgültige Grenzübertritt war am 16.08.2018, davor machte er schon zwischen 20. und 24.7. Stippvisiten in Hessen (ANDERS per email). Er wanderte auf relativ striktem Südkurs bis Mittelhessen. Etwa bei Erreichen der Wetterau machte er kehrt und wandte sich Richtung Vogelsberg. Dort wurde er zuletzt im November 2018 geortet; danach fiel sein Senderaus (JOKISCH mündl.).“ 

Im Dezember 2018 wurde M12 im nördlichen Baden-Württemberg festgestellt. Bei der Wanderung durch Hessen war der Halsbandsender ausgefallen. Die Identifizierung von M12 gelang in Baden-Württemberg an Hand von Fotos, die sein spezifisches Fleckenmuster zeigen.

Alle erwachsene Jungluchse wandern auf der Suche nach einem Revier umher. Männchen tendenziell deutlich weiter als Weibchen. Ungewöhnlich ist aber die von M12 zurückgelegte Strecke von mehreren 100 Kilometern. Fernwanderer sind bei Luchsen selten.

Ende Januar 2020 wurde M12 dann bei Hanau beobachtet. Er wurde der Öffentlichkeit bekannt, weil er in die Fasanerie in Hanau Klein-Auheim eingedrungen war. Dort konnte auch genetisches Material gesammelt werden, anhand dessen die Wildtiergenetik des Forschungsinstitutes Senckenberg, Außenstelle Gelnhausen, nach intensiver Prüfung M12 identifizieren konnte. Der Luchs blieb dann wochenlang im Umfeld der Fasanerie. Vermutlich interessierte er sich während der Paarungszeit für ein Luchsweibchen im Gehege des Wildparks.

Ab Mitte August dieses Jahres erreichten den Arbeitskreis Hessenluchs (AK Hessenluchs) dann in recht schneller Folge Luchsbeobachtungen vom östlichenTaunusrand zwischen Langgöns-Espa über Friedrichsdorf, Oberursel und Königstein. Bereits vor der ungewöhnlichen Feststellung auf dem Schulsportplatz gelangen Fotonachweise und es gab mündliche Berichte, dass ein wenig menschenscheuer Luchs sich im Raum bewegt. Stand heute handelt es sich bei diesem Tier nach Aussage von Ole Anders vom Luchsprojekt Harz um M12, der die Anfrage des AK Hessenluchs freundlicherweise sehr schnell per Mail beantwortete („wir sind uns recht sicher, dass es sich bei dem Luchs in Oberursel um M12 handelt.“). Die Bestimmung erfolgte an Hand von Fotos, die im Stadtwald Rosbach und in Oberursel von Privatleuten gelangen und dem AK Hessenluchs zur Verfügung gestellt wurden. Erstaunlich ist, dass M12 demnach das dicht besiedelte Rhein-Main-Gebiet durchquert hat.

Der Luchs, ein scheues Wildtier?

Nur mit viel Glück gelingt uns die Beobachtung eines Luchses. Das liegt schon daran, dass wir Menschen tagaktiv, ein Luchs aber eher dämmerungs- und nachtaktiv ist. Der Tag wird in der Regel verschlafen. Die Fellfärbung bietet dem Luchs dann eine gute Tarnung. Luchse verfügen über hervorragende Sinnesorgane. Die Leistungen der Augen und Ohren sind sprichwörtlich. Luchse bemerken den Menschen also bevor der Mensch den Luchs bemerkt. Immer wieder kommt es aber doch zu Sichtbeobachtungen von Spaziergänger*innen. In Bayern, wo schon seit vielen Jahrenn Luchse im Nationalpark leben und dort immer wieder auch beobachtet werden, weiß man deshalb: “In der Regel meiden Luchse menschliche Ansiedlungen. Sie gelten im Allgemeinen als sehr scheu, sind aber eigentlich nur “unsichtbar“. Denn ein Luchs bleibt bei Annäherung oft lange ruhig sitzen und flüchtet nur selten Hals über Kopf. Er vertraut auf seine perfekte Tarnung: Bleibt er bewegungslos und macht keine Geräusche, wird er fast immer von uns Menschen übersehen. So werden wir im Bayerischen Wald wohl viel öfter als wir denken von Luchsen beobachtet.“ 

M12 erweist sich aktuell als wenig menschenscheu. Ob dieses Verhalten so bleibt, oder ob er Erfahrungen machen wird, die ihn  wieder „unsichtbar“ werden lassen, bleibt abzuwarten. Denkbar ist auch, dass er den Taunus wieder verlässt. Denn Luchse bleiben in der Regel nur dort, wo sie in der Nachbarschaft Kontakt zu anderen Luchsen haben. Das Bedürfnis nach anderen Luchsen dürfte auch der Anlass für die bisherige bemerkenswerte Wanderungsleistung dieses Luchses sein.

Was tun?

Luchse sind für Menschen nicht gefährlich! Allerdings sollte man immer bedenken, dass es Wildtiere sind. Wer einem Luchs tatsächlich begegnet, darf ihn beobachten. Annäherungen sollten jedoch unterbleiben. Auch ein Luchs, der wenig Scheu vor dem Menschen zeigt, achtet darauf, dass ein Sicherheitsabstand gewährleistet bleibt. Das Verhalten der Menschen und der Poliziei in Oberursel war vorbildlich. Als mehrere Beamte langsam auf das Tier zugingen, stand es auf und suchte sich seinen Weg zurück in den Wald.

Hunde sollten an der Leine gehalten werden. Kommen sie einem Luchs zu nahe, wird er sie womöglich mit seinen Krallen auf Distanz halten. Ganz falsch und letztlich für Mensch und Luchs fatal wäre die Fütterung eines Luchses. Ein Luchs, der sich nicht mehr wie ein Wildtier verhält, wird unkalkulierbar. Vermutlich wird ein solches Tier auch schnell Opfer des Straßenverkehrs.

Ganz wichtig ist die weitere Dokumentation der Aufenhaltsorte und Verhaltensweisen jedes freilebenden Luchse. Beobachtungen sollten deshalb an die örtliche Luchsbeauftragten des AK Hessenluchs gemeldet werden (Kontaktdaten der Luchsbeauftragten: http://www.luchs-in-hessen.de/luchshinweise_melden.html ).

Weitere Informationen:

Der Arbeitskreis Hessenluchs, der 2004 auf Initiative des BUND und des Ökologischen Jagdvereins (ÖJV) gegründet wurde, sammelt Belege für das Vorkommen des Luchses in Hessen (Sichtungen, Fährten, Rissfunde) und führt sie im Auftrag des HLNUG alljährlich in einem hessenweiten Luchsregister zusammen. Er arbeit eng mit den zuständigen Verwaltungen, Fachleuten und wissenschlichen Institutionen in Hessen und den benachbarten Bundesländern zusammen.

Pressekontakt:

Thomas Norgall,

Koordinator des AK Hessenluchs und stellv. Geschäftsführer des BUND Hessen. Tel.: 0170 2277238

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