Im Wald ist der Wolf daheim.
(Foto: Cornelia Arens / KlickFaszination)
Die Lösung liegt im Herdenschutz – Bejagung verschlimmert die Probleme
Thomas Norgall, stellv. Geschäftsführer des hessischen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen), kommentiert:
„Die Lösung zur guten Koexistenz von Mensch, Wolf und Weidetieren führt über den Herdenschutz. Die Bejagung vergrößert die Probleme hingegen. Die Fachwelt ist sich auch einig, dass der Wolf für den Menschen keine Gefahr darstellt. Da der Wolf ein streng territoriales Tier ist, regelt er seine Bestandsdichte selbst. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass jagdliche Eingriffe und Abschussquoten die Probleme nicht lösen. Nötig ist aus Sicht des BUND aber ein flächendeckendes Angebot der staatlichen Unterstützung beim Herdenschutz und die Übernahme der Herdenschutzkosten durch das Land Hessen.“
Hintergrund: Angst vor dem Wolf
Viele Menschen haben Angst vor dem Wolf. Nähern sich Wölfe einer Ortschaft oder werden sie innerorts beobachtet, dann wächst die Angst. Gezielt wird dann oft die Angst geschürt. Richtig ist aber, was im Wolfsmanagementplan des Landes Hessen auf S. 23 steht:
„Wölfe zeigen keine angeborene Scheu vor menschlichen Strukturen oder Siedlungen. Wölfe, die nachtsnah an einer Ortschaft entlanglaufen oder beim Anblick von Autos nicht fliehen, sondern stehen bleiben und beobachten, sind nicht verhaltensauffällig. In der Regel sind Wölfe überaus vorsichtig und gehen Menschen aus dem Weg. Sie nehmen uns dank ihrer guten Sinne sehr früh wahr und ziehen sich zurück, bevor wir sie bemerken. Wölfe nähern sich aber – wie andere Wildtiere auch – vor allem nachts gelegentlich Siedlungen. Auch das Queren einer Siedlung in den Dämmerungs- und Nachtstunden gehört zum normalen Verhaltensspektrum. Insbesondere bei Jungwölfen ist die Scheu teilweise deutlich weniger ausgeprägt. Zudem sind Jungtiere oft ausgesprochen neugierig. Dabei ist zu beachten, dass Jungwölfe mit einem Lebensalter von gut einem halben Jahr bereits annähernd die Größe erwachsener Wölfe erreichen können.“
Hintergrund: Herdenschutz
- Den zuverlässigsten Herdenschutz gewährleisten ortsansässige Wolfsrudel, die keine Herdentiere angreifen und keine fremden Wölfe in ihr Streifgebiet lassen. Denn nicht jeder Wolf greift Weidetiere an. Bei einer allgemeinen Bejagung würden solche Wölfe getötet, die keine Weidetiere angreifen. Streifende Wölfe könnten dann ihr Gebiet übernehmen, wodurch das Risiko von Übergriffen auf Weidetiere entstehen würde. Herdenschutz muss die Schlüsselphase berücksichtigen, in der Wölfe das eigenständige Jagen lernen. Dies ist die Phase, in der sie ihr Elternrudel verlassen und sich ein eigenes Revier suchen. Diese jungen Wölfe müssen den Anblick von Weidetieren mit Stromschlägen verbinden und dürfen gar nicht erst die Erfahrung machen, wie leicht ungeschützte Schafe oder Ziegen zu erbeuten sind.
- Die Entnahme von Wölfen, die den fachgerechten Herdenschutz überwinden, ist auch für den BUND akzeptabel. Eine willkürliche Bejagung der Tiere hingegen nicht. Sie wäre rechtlich auch nicht machbar. Die rechtlichen Voraussetzungen zur Entnahme von Wölfen sind im „Praxisleitfaden zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach §§ 45 und 45a BNatSchG beim Wolf, insbesondere bei Nutztierrissen“ enthalten, den die Umweltministerkonferenz am 24.-26.11.2021 beschlossen hat.
- Themenseite zum Wolf in Hessen
Hintergrund Jagd/Bestandsobergrenze
Frank Fass, Inhaber des Wolfcenter Dörverden in Niedersachsen, Autor und Herausgeber des Buches „Wildlebende Wölfe“ beleuchtet in einer neuen monatlichen Serie rund um das Thema „Koexistenz mit dem Wolf“ die kontroversen Facetten seiner Arbeit.
Auf die Frage „Was wäre der konkrete Nutzen einer (Abschuss-) Quote?“ antwortet er:
„Nehmen wir mal an, dass bestens rechtlich fundiert und per Wolfsmonitoring errechnet jährlich ca. 10 Prozent der Wölfe in Deutschland wahllos – also egal welcher Wolf – abgeschossen würden. Welchen Vorteil brächte das? Wir würden dann feststellen, dass die Wolfspopulation weiterwächst und sich auf der Landkarte weiter ausdehnt. Der Prozess wäre lediglich verlangsamt vergleichbar mit einer Autoweiterfahrt bei angezogener Handbremse. In vielen Gesprächen mit Nutztierhaltern habe ich oft gehört, dass sich im Fall der Bejagung der Wölfe die Übergriffe auf Nutztiere deutlich reduzieren sollte. Dem wäre aber nicht so.
Zur Veranschaulichung folgendes Szenario: Angenommen es lebt ein zehnköpfiges Rudel Wölfe in der Region und dieses Rudel greift nachgewiesen immer wieder ungeschützte Schafherden an. Und gehen wir weiter davon aus, dass z.B. 10 Prozent der Wölfe per Quote entnommen werden dürfen, hieße also, es darf ein Wolf abgeschossen werden. Nach dem Abschuss werden wir aber weitere Übergriffe auf die ungeschützten Schafe durch die verbleibenden neun Wölfe feststellen. Sollte eines der Elterntiere dabei geschossen worden sein, werden wir beobachten können, dass in der Zukunft die entstandene Lücke im Elternpaar wieder durch einen zuwandernden Wolf geschlossen wird. Schlussendlich können wir es drehen wie wir wollen: es ist und bleibt von höchster Wichtigkeit, dass wir so schnell wie möglich bundesweit Herdenschutzmaßnahmen einführen.“
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