Zum Schutz des Grundwassers ist der Ausbau der Kläranlagen dringend notwendig. (Grafik: Niko Martin)
Gut, dass es endlich losgeht. Priorität muss der Ausbau der Kläranlagen haben
Thomas Norgall, stellvertretender Geschäftsführer des hessischen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen) kommentiert den Startschuss des Dialogforums Spurenstoffe des hessischen Umweltministeriums: „Gut, dass das Dialogforum endlich startet, denn im Grundwasser des Hessischen Riedes entwickelt sich ohne schnelles und entschlossene Handeln eine tickende Zeitbombe aus Mikroschadstoffen. Priorität muss der Ausbau der Kläranlagen um die so genannte 4. Reinigungsstufe haben, damit der Großteil der chemischen Substanzen, die auch in Spuren sehr gefährliche Auswirkungen haben können, gar nicht erst in den Wasserkreislauf gelangen.“
Der BUND fordert eine gesetzliche Pflicht zum Bau der 4. Reinigungsstufe und die umgehende Einführung der vom Bundesumweltministerium (BMU) vorgeschlagenen Spurenstoffabgabe als Bestandteil der Abwasserabgabe. Der im Referentenentwurf des BMU vorgesehene Abgabensatz mit einem jährlichen Aufkommen aus den kommunalen Kläranlagen in Höhe von 60 Mio € für ganz Deutschland ist angesichts des notwendigen Investitionsvolumens allerdings viel zu gering und sollte um mindestens das 10fache auf das Niveau der Schweizer Abgabe erhöht werden. Die Einnahme aus der Spurenstoffabgabe sollen zur finanziellen Förderung der 4. Reinigungsstufen verwendet werden. Die Hessische Landesregierung sollte diese Forderung gegenüber der jetzigen und der kommenden Bundesregierung vehement unterstützen. Im Hessischen Ried ist der Grundwasserschaden durch die Einleitung der Kläranlagen so hoch, dass die Landesregierung den Bau von 4. Stufen auf Basis der derzeitigen gesetzlichen Grundlage nicht nur finanziell fördern, sondern verbindlich anordnen sollte.
Hintergrund
Bei den Spurenstoffen, die im Dialogforum behandelt werden sollen, handelt es sich um eine Vielzahl chemischer Substanzen die als Mikroschadstoffe im Wasser schon in sehr geringen Konzentrationen eine Gefahr darstellen.Mikroschadstoffe können Arzneimittel, Röntgenkontrastmittel, Kosmetikprodukte, Haushaltschemikalien, Biozide und Pestizide sowie Industriechemikalien sein, die über verschiedene Eintragspfade, zum großen Teil aber über die Kläranlagen in unsere Gewässer gelangen.
2016 veröffentlichte das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) nach mehrfachem Drängen des BUND Hessen einen Projektbericht, in dessen Zusammenfassung es heißt:
„Die vorliegenden Untersuchungen haben gezeigt, dass im Hessischen Ried das Grundwasser in Belastungsschwerpunkten mit organisch-chemischen Spurenstoffen belastet ist. Es dominieren dabei solche Stoffe, die typischerweise in kommunalen Abwässern enthalten sind und von den kommunalen Kläranlagen nicht oder nicht vollständig eliminiert werden können. Hauptursache dieser Belastungen ist nach allen vorliegenden Erkenntnissen die natürliche Infiltration von abwasserbelasteten Fließgewässern in das Grundwasser. Bei diesem Vorgang werden die meisten der im Oberflächenwasser enthaltenen Spurenstoffe durch Adsorption am Boden oder durch biologischen Abbau zurückgehalten, aber schlecht adsorbierbare und schlecht biologisch abbaubare Stoffe gelangen in das Grundwasser und werden dort weiter transportiert. Unter ungünstigen Bedingungen sind solche Stoffe teilweise in erheblichen Konzentrationen im Grundwasser vorhanden und bis zu Trinkwasserbrunnen vorgedrungen (z. B.Wasserwerk Walldorf, Wasserwerk Dornheim).“
- HLNUG-Projektbericht 2016 „Projektbericht des HLNUG für die Arbeitsgruppe beim RP Darmstadt „Kläranlageneinleitungen in oberirdische Gewässer und dadurch bedingte Spurenstoffeinträge in das Grundwasser im Hessischen Ried“: https://www.hlnug.de/fileadmin/dokumente/wasser/grundwasser/artikel/Projektbericht_Spurenstoffe/Projektbericht_Spurenstoffeintrae
2018 legt das Hessische Umweltministerium die „Spurenstoffstrategie Hessisches Ried“ vor, bewilligte in der Folge auch Förderbescheide für den Bau erster 4. Reinigungsstufen kommunaler Kläranlagen und kündigte die Einberufung eines Dialogforum Spurenstoffe an. Leider wurde bisher bei keiner einzigen Anlage mit dem Bau begonnen.
2021: Der offizielle Start des Dialogforums erfolgt am Donnerstag, dem 10. Juni 2021
von 13:00-16:30 Uhr mit einer Auftaktveranstaltung, an der über YouTube teilgenommen werden kann:
2021: Hintergrundartikel auf den Hessenseiten im „BUNDmagazin“ (Seite 2+3): „Trinkwasserverunreinigung im Hessischen Ried – Warum eine bessere Klärleistung so wichtig ist“:
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